Gedichtsinterpretation & Analyse von Bertholt Brechts „Die Nachtlager“
Gliederung
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Deutliche Sichtbarkeit der Unterschiede zwischen arm & reich in Großstädten
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Analyse des Gedichts „Die Nachtlager“ von Bertholt Brecht
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Inhalt & Aufbau
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Beschreibung eines Spendensammlers in New York
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Keine Verbesserung der Gesamtsituation durch einzelne Taten
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Formale Elemente
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Form des Gedichts
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Stilmittel
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Interpretation
Laut Brecht Verbesserung der Situation nur durch Änderung des gesellschaftlichen Systems möglich
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Gibt es in der heutigen Zeit zwar keine Teilung der Gesellschaft in Fürsten & ihr Untertanen mehr, zeigen sich dennoch noch immer große materielle Unterschiede in der Bevölkerung. Besonders deutlich werden diese in großen Städten, wie etwa New York. Obdachlose leben hier in unmittelbarer Nachbarschaft zu Luxusläden & den Wohnungen der Reichen & zeigen so auf drastische Weise die Spaltung zwischen arm & reich auf.
Der Titel von Bertholt Brechts Gedicht "Nachtlager" ist irreführend, da man mit ihm eigentlich ein Lager, das Reisende oder Soldaten im Wald aufstellen, in Verbindung bringen würde, & lenkt so vom eigentlichen Inhalt des Gedichtes ab.
In der ersten der insgesamt vier Strophen beschreibt das lyrische Ich einen Mann, der sich bemüht, New Yorks Obdachlosen im Winter eine Übernachtungsmöglichkeit zu verschaffen, um sie vor der Kälte und dem Schnee zu schützen. Hierbei schildert es auch, dass er zu diesem Zweck Passanten "[a]n der Ecke der 26. Straße und des Broadway" um Spenden bittet.
Inder zweiten Strophe kommt zunächst die Meinung des lyrischen Ichs zum Ausdruck, dass "[d]ie Welt [durch die Bemühungen eines Einzelnen] [...] nicht anders" wird & dass sie weder Ausbeutung verhindern, noch "die Beziehung zwischen den Menschen" verbessern. Im Anschluss hieran zeigt es jedoch die positiven Auswirkungen der Taten des Mannes auf, nämlich, dass durch sie zumindest einigen Menschen geholfen wird, indem sie in der Nacht vor dem Winter geschützt werden.
Die dritte Strophe besteht aus nur einem Vers & ist so lediglich ein kurzer Einschub, der den Leser ermahnt, das Gedicht nicht wegzulegen, sondern weiterzulesen.
In der vierten Strophe werden nochmals die Aussagen der zweiten wiederholt, jedoch beginnt das lyrische Ich diesmal damit, den Nutzen der Handlungen des Mannes zu schildern & endet mit der Beurteilung der eigentlichen Nutzlosigkeit derselben. Dadurch wird deutlich, dass das lyrische Ich davon überzeugt ist, dass sicher der Mann umsonst bemüht. Auf diese Weise ist diese Strophe ein Widerspruch zur zweiten, da der Leser in dieser durch die umgekehrte Reihenfolge einen gegensätzlichen Eindruck bekommt.
Die zweite & die vierte Strophe haben jeweils sechs Verse. Ihre Gemeinsamkeit widerspricht jedoch dem inhaltlichen Gegensatz der Strophen & verschleiert ihn dadurch. Die erste Strophe besteht aus fünf Versen, die dritte aus nur einem einzigen, da es sich hierbei eigentlich nur um einen Aufruf an den Leser handelt, der durch diese Kürze besonders eindringlich wirkt. In Bertholt Brechts Gedicht gibt es keine Reime, die Anfangsbuchstaben jedes Verses werden groß geschrieben & es herrscht durchweg Zeilenstil vor. Durch diesen steht jeder Vers sozusagen 'für sich allein', was die Aussage des lyrischen Ichs unterstreicht, dass auch alle Menschen immer nur an sich selbst denken & für deren eigenes Wohl auch andere ausbeuten.
Das wohl auffälligste Stilmittel, welches der Dichter in "Die Nachtlager" verwendet, ist die Verwendung der bis auf geringfügige Abweichungen identischen Verse in den Strophen zwei & vier. Auf dieser Weise erweckt es beim Leser zunächst den Anschein, als würde Bertholt Brecht mit den beiden Strophen das Gleiche sagen wollen. Erst auf den zweiten Blick erkennt man, dass eigentlich das genaue Gegenteil der Fall ist. Inder Strophe wird zuerst gesagt, dass die Taten des Mannes die Welt nicht verändern, dann folgt jedoch, eingeleitet mit "Aber" (Z.9) die Einschränkung, dass dennoch einige Menschen einen Vorteil davon haben, da sie für eine Nacht vom Winter geschützt werden (vgl. Z. 10-11) So wird dem Leser das positive Gefühl der großen Bedeutung einer kleinen Tat vermittelt. Dies ändert sich jedoch in der vierten Strophe, da die Reihenfolge der beiden Teile diesmal genau andersherum ist, verkehrt sich auch die Grundaussage ins Gegenteil: Auch wenn durch die Aktion des Mannes einigen Menschen geholfen wird ist das lyrische Ich doch eigentlich von ihrer Sinnlosigkeit überzeugt & gibt diese Botschaft an den Leser weiter, wodurch das Ende des Gedichts durch überwiegend negative Gefühle bestimmt wird, & das Aussageziel deutlich wird. Dies erklärt auch die Aufforderung an den Leser weiterzulesen. Es ist unbedingt notwendig um das Gedicht richtig zu verstehen, da bis zu diesem Punkt ein gegensätzlicher Eindruck vermittelt wird. Die Aufforderung, das Buch nicht wegzulegen (vgl. Z.12) weckt zudem die Aufmerksamkeit, da der Leser hier direkt angesprochen wird. Ihre Wichtigkeit wird nochmals dadurch verstärkt, dass sie allein die dritte Strophe darstellt, obwohl sie nur aus einem Vers besteht.
Die wichtigste Botschaft, die Brecht mit seinem Gedicht „Die Nachtlager“ vermitteln möchte, ist, dass die Taten eines einzelnen Menschen gegen die Armut wenig ausrichten können. Seiner Meinung nach liegt die Ursache für die gewaltigen sozialen Unterschiede unserer Zeit in unserem System, dem Kapitalismus. Dieser ist in seinen Augen ein Problem, da er die Menschen dazu bringt, immer nur an Profit zu denken & dafür, wenn nötig, auch andere auszubeuten. Aus diesem Grund ist Brecht selbst überzeugter Marxist & vertritt die Ansicht, dass eine tatsächliche & dauerhafte Verbesseerung der Situation der Armen & dadurch ein Ende des „Zeitalter[s] der Ausbeutung“ (Z.8) nur durch eine Änderung unseres Systems weg vom Kapitalismus hin zu beispielsweise dem Kommunismus erreicht werden kann. Dies würde seiner Meinung nach auch zu einer Verbesserung der „Beziehungen zwischen den Menschen.“ (Z.6) führen, da dieser momentan noch das Streben jedes Einzelnen nach Geld im Weg steht.
Ich selbst bin der Meinung, dass man die Welt auch durch gute Taten sehr verbessern kann. Ein Beispiel hierfür sind die zahlreichen Hilfsorganisationen, die vor allem in Entwicklungsländern tätig sind. Durch Spenden aus den reichen Industrienationen wurde beispielsweise durch das Kinderhilfswerk UNICEF bereits vielen Kindern die Chance für eine Schulbildung & somit ein besseres Leben gegeben. Daran sieht man, dass unser System des Kapitalismus gut funktionieren kann, wir müssen nur lernen unser Geld gerecht zu nutzen.