Wehmut
Ihr verblühet, süße Rosen,
meine Liebe trug euch nicht;
blühet, ach, dem Hoffnungslosen,
dem der Gram die Seele bricht!
Jener Tage denk ich trauernd,
als ich, Engel, an dir hing,
auf das erste Knöspchen lauernd
früh zu meinem Garten ging.
Alle Blüten, alle Früchte
noch zu deinen Füßen trug,
und vor deinem Angesichte
Hoffnung in dem Herzen schlug.
Ihr verblühet, süße Rosen,
meine Liebe trug euch nicht;
blühet, ach, den Hoffnungslosen,
dem der Gram die Seele bricht!
(Johann Wolfgang von Goethe, 1749 bis 1832)
Herbst
Zu Golde ward die Welt;
zu lange traf
der Sonne süßer Strahl
das Blatt, den Zweig.
Nun neig
dich, Welt, hinab
Bald sinkt's von droben dir
in flockigen Geweben
verschleiernd zu -
und bringt dir Ruh,
o Welt,
o dir, zu Gold geliebtes Leben,
Ruh.
(Christian Morgenstern)
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Ich sah den Wald sich färben
Ich sah den Wald sich färben,
Die Luft war grau und stumm;
Mir war betrübt zum Sterben,
Und wusst' es kaum, warum.
Durchs Feld vom Herbstgestäude
Hertrieb das dürre Laub;
Da dacht' ich: deine Freude
Ward so des Windes Raub.
Dein Lenz, der blütenvolle,
Dein reicher Sommer schwand;
An die gefrorne Scholle
Bist du nun festgebannt.
Da plötzlich floss ein klares
Getön in Lüften hoch:
Ein Wandervogel war es,
Der nach dem Süden zog.
Ach, wie der Schlag der Schwingen,
Das Lied ins Ohr mir kam,
Fühlt' ich's wie Trost mir dringen
Zum Herzen wundersam.
Es mahnt' aus heller Kehle
Mich ja der flücht'ge Gast:
Vergiss, o Menschenseele,
Nicht, das du Flügel hast.
(Emanuel Geibel)
Herbstgedicht
Der Nebel steigt, es fällt das Laub.
Schenk ein, den Wein, den holden.
Wir wollen uns den grauen Tag
vergolden, ja vergolden!
Und wimmert auch einmal das Herz,
stoß an uns lass es klingen!
Wir wissen's doch, ein rechtes Herz
ist gar nicht umzubringen.
Wohl ist es Herbst, doch warte nur,
doch warte nur ein Weilchen!
Der Frühling kommt, der Himmel lacht,
es steht die Welt in Veilchen.
(Theodor Storm)
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